Der Märtyrer

Vorspann zu einem Romantext, als Theaterstück angelegt.

Lyon

Vorn am Bühnenrand blättern und lesen beide in überdimensionierten Büchern: Links der Nazarener in der Bibel, rechts Allah im Koran. Stumme Mundbewegungen. Nur ab und zu werden ihre Stimmen tonal. Manchmal reisst der eine, manchmal der andere grimmig Seiten heraus. Aus der Bühnentiefe löst sich eine armselige Gestalt. Eine Frau. Sie spricht gehemmt und unsicher, als sei es ungehörig, dass sie überhaupt redet…

Ein Exempel sei es. Ich weiss nicht, was das ist. Meine Kleine, meine Tochter, sie wusste es auch nicht. Sie hielt die Hand hin. Einfach hin. Dann fiel der Schuss. Überall war Blut. Sie schrie, meine Giulia. Natürlich wollten wir die Schulden bezahlen. Aber die Hand so zerfetzt…

„Sie ist hübsch, deine Giulia“, sagte Pedro Almarez. Was er sagt, gilt. „Schade um das hübsche Händchen“, sagte er, „wievielen Schwänzen sie’s gut gemacht hat! Die Yankees waren ganz wild auf sie“, sagte er. Da wussten wir schon, dass ihr Bruder… Juan, mein Junge! „Ich werde schuften, Mama, schuften, schuften und euch viel Geld schicken, sie bezahlen gut, Mama, die Amerikaner“, sagte er.

(Der Nazarener) »… geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein Reicher…UNSINN. Tau! Tau habe ich gesagt, nichts von Kamel!«

Dass sie gut bezahlen? Ich wüsste es nicht. Siebzehn war ich und Hausmädchen. Prächtig war das Haus, im Paradies könnte es nicht schöner sein. Blumen und Spiegel. Und Teppiche. Ich glaube, mein…